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Organspende: Leben schenken über den Tod hinaus

In Deutschland herrscht ein eklatanter Mangel an Spenderorganen. Im Jahr 2023 warteten 8.385 Patientinnen und Patienten auf ein dringend benötigtes Organ, während nur 2.877 Organe von 965 Menschen gespendet wurden. Angesichts dieser erschreckenden Diskrepanz stellt sich die Frage: Wäre die Einführung der Widerspruchslösung nicht ein sinnvoller Schritt, um mehr Menschen das Leben zu retten?

Die postmortale Organspende

Die Organspende bietet die Chance, auch nach dem eigenen Tod das Leben anderer Menschen zu retten oder deren Lebensqualität deutlich zu verbessern. Bei der sogenannten postmortalen Organspende stellen Verstorbene ihre Organe für eine Transplantation zur Verfügung. Diese Spenderorgane werden dann an geeignete Patientinnen und Patienten vermittelt, die dringend auf ein solches Organ warten.

Die am häufigsten benötigten und transplantierten Organe sind Nieren, Leber, Herz und Lunge. Auch Bauchspeicheldrüse und Dünndarm können gespendet werden. Besonders groß ist der Bedarf an Spendernieren, da schwere Nierenerkrankungen weit verbreitet sind.

Damit eine Organspende stattfinden kann, müssen zwei wichtige Voraussetzungen erfüllt sein. Zum einen muss der Tod des Spenders zweifelsfrei festgestellt worden sein. Zum anderen muss eine Zustimmung zur Organspende vorliegen. Dies kann zum Beispiel durch einen Organspendeausweis geschehen, den die Spenderin oder der Spender bereits zu Lebzeiten ausgefüllt hat.

Das zermürbende Warten auf ein Spenderorgan

Das Warten auf ein Spenderorgan kann in Deutschland für die Betroffenen und ihre Angehörigen eine sehr belastende Erfahrung sein. Patientinnen und Patienten, die auf eine Organspende angewiesen sind, erleben eine Zeit der Ungewissheit und Einschränkung – oft über mehrere Jahre hinweg. Viele sind auf lebenserhaltende Maßnahmen wie die Dialyse angewiesen, was ihre Lebensqualität erheblich beeinträchtigt.

Demgegenüber bedeutet eine Organspende für die meisten Empfängerinnen und Empfänger nicht nur eine deutliche Verbesserung ihres Gesundheitszustandes, sondern oft auch die Rückkehr zu einem erfüllteren und aktiveren Leben. Eine Organspende hat weitreichende positive Folgen – sowohl für die Empfänger als auch für deren Angehörige. Sie berührt viele Leben gleichzeitig und verändert sie nachhaltig zum Positiven. Doch wie können wir dafür sorgen, dass noch mehr Patientinnen und Patienten ein solches Happy End erleben?

Die aktuelle Debatte: Widerspruchslösung vs. Entscheidungslösung

Derzeit gilt in Deutschland die sogenannte Entscheidungslösung. Das bedeutet, dass eine Organ- und Gewebespende nur möglich ist, wenn der potenzielle Spender oder die potenzielle Spenderin zu Lebzeiten eingewilligt hat oder die nächsten Angehörigen zustimmen. Um die Zahl der Organspenden zu erhöhen, hat der Bundesrat am 5. Juli 2024 eine Gesetzesinitiative zur Einführung der Widerspruchslösung gestartet. Bei der Widerspruchslösung würde jeder Mensch automatisch als potenzieller Spender gelten, sofern er nicht zu Lebzeiten ausdrücklich widersprochen hat. Dies soll dazu führen, dass sich mehr Menschen aktiv mit dem Thema auseinandersetzen.

Befürworter der Widerspruchslösung argumentieren, dass sie zu einer deutlichen Steigerung der Spenderzahlen führen könnte. Sie verweisen auf Länder wie Spanien oder Österreich, die mit dieser Regelung höhere Spenderquoten erreichen. Zudem wird betont, dass die Entscheidungsfreiheit des Einzelnen gewahrt bleibe, da jeder die Möglichkeit habe, einer Organspende zu widersprechen.

Kritiker hingegen sehen in der Widerspruchslösung einen Eingriff in das Selbstbestimmungsrecht des Menschen. Sie befürchten, dass Menschen, die sich nicht aktiv mit dem Thema auseinandergesetzt haben, unfreiwillig zu Organspendern werden. Auch wird befürchtet, dass das Vertrauen in das Gesundheitssystem leiden könnte, wenn der Eindruck entsteht, der Staat verfüge über den Körper seiner Bürgerinnen und Bürger.

Was wir alle tun können

Unabhängig von der aktuellen Gesetzeslage ist es wichtig, dass wir uns alle mit dem Thema Organspende auseinandersetzen und eine persönliche Entscheidung treffen. Ab dem vollendeten 16. Lebensjahr kann man seine Zustimmung zur Organspende erklären, ab dem 14. Lebensjahr kann man ihr widersprechen.

Seit März 2024 können Bürgerinnen und Bürger Ihre Entscheidung im neuen Online-Register für Organspenden unter www.organspende-register.de hinterlegen. Alternativ kann man seinen Willen auch in einem Organspendeausweis oder einer Patientenverfügung festhalten.

Die Entscheidung für oder gegen eine Organspende ist eine sehr persönliche und will gut überlegt sein. Sie berührt grundsätzliche Fragen über Leben und Tod, über die Würde des menschlichen Körpers und über unsere Verantwortung gegenüber anderen Menschen. Es ist eine Möglichkeit, über den eigenen Tod hinaus Gutes zu tun und Schwerkranken eine zweite Chance zu geben.

Autor:
Jörg Zimmerling
Bildquelle:
© Alexander Raths - stock.adobe.com

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